Kirchensteuer

Ein Phänomen unserer Tage ist es, dass manche Menschen aus der Kirche "austreten". Dazu gehen diese Personen zu dem zuständigen Standesamt ihres Wohnortes und erklären, künftig nicht mehr Mitglied der Kirche sein zu wollen. Die staatliche Behörde nimmt diese Erklärung entgegen und meldet diese Erklärung an das zuständige Wohnsitzpfarramt weiter. Gegebenfalls wird dann der "Austritt" noch an das Pfarramt gemeldet, in dem die Taufe einst an die ausgetretene Person gespendet wurde und in den Taufbüchern entsprechend vermerkt. Für diese Dienstleistung erhebt der Staat eine Bearbeitungsgebühr. Eine Folge dieses Procedere ist es, dass kirchensteuerpflichtige Personen ab dem Zeitpunkt des Austritts keine Kirchensteuer mehr entrichten.

 

Zweifellos ist dies auch die hauptsächliche Begründung: man will die "Kirchensteuer" nicht mehr leisten müssen. Natürlich wird diese Begründung nicht als Erstes ins Feld geführt; man führt dann die "Skandale" der Kirche ins Feld oder dass man sich geärgert habe und "den Verantwortlichen in der Kirche" einen Denkzettel verpassen möchte. Wenn man allerdings ehrlich der Ursache dieses Phänomens nachgeht, wird man zugeben müssen, dass das Problem oftmals (nicht immer) viel tiefer liegt, nämlich: Warum soll man einen finanziellen Beitrag leisten für einen "Verein", mit dem man sich selbst nicht identifiziert, bzw. nichts von ihm erhofft oder erwartet, geschweige denn sein eigenes Glaubensleben von der "Institution Kirche" unabhängig begreift?

 

Es gibt Gründe für die Kirchensteuer, einige wären:

  • durch sie können sich die Kirchen in unserem Land als zweitgrößter Arbeitgeber (nach dem Staat) betätigen;
  • soziales und caritatives Engagement wird professionell und institutionell ermöglicht (Schulen, Kindertagesstätten, Krankenhäuser, Beratungsstellen, Jugendarbeit, Mitarbeiter/-innen in der Seelsorge, finanzieller Unterhalt der Kirchengebäude der Pfarreien, Entwicklungshilfe und vieles mehr);
  • das System ist besser als sein Ruf, denn die Kirchensteuer ist gerecht (fester Anteil des Steuersatzes) und keine Belastung, die über Gebühr (Ausnahmefälle natürlich ausgenommen) greift und Christen in Existenznot treibt. Renter/-innen, erwerbslose Personen, Kurzarbeiter/-innen zahlen keine Kirchensteuer!

Ebenso gibt es Nachteile (des deutschen Kirchensteuersystems), die ebenso zu benennen sind:

  • Es kann eine gewisse "Verweltlichung" in der Kirche eintreten. Wenn Geld wichtiger wird als Gott oder der Anspruch des Evangeliums, läuft nicht nur etwas schief, sondern es ist wirklich "Feuer auf dem Dach";
  • Bei steigender Zahl der Austritte aus dem System der Kirchensteuer (aus der Körperschaft des öffentlichen Rechtes "Kirche) sinken auch die finanziellen Möglichkeiten der einzelnen Bistümer erheblich. Die oben genannten Vorteile des Systems stehen dann in Frage. Was die Kirche im "Subsidiaritätsprinzip" in positiver Kooperation mit der Gesellschaft und dem Staat nicht mehr leisten kann, müssen andere übernehmen. Wenn ein kirchlicher Kindergarten nicht mehr betrieben oder gehalten werden kann (ebenso eine kirchliche Schule oder ein Krankenhaus) muss oftmals dann der Staat diese Einrichtung übernehmen.

Katholische Einrichtungen stehen prinzipiell allen Menschen in unserem Land offen und zur Verfügung. Am Beispiel einer Kindertagesstätte in Bayern kann man dies sehr gut verdeutlichen: betreibt die Kirche einen Kindergarten für die Gemeinde, so steht diese allen Kindern offen, unabhängig davon, ob die Kinder oder die Eltern selbst katholisch sind. Würden nur katholische Kinder aufgenommen, so wäre dies ein "konfessioneller Kindergarten"; so ist es aber ein katholischer Kindergarten für die Gemeinde. Hier erkennt man, dass dieses Engagement für alle Menschen in unserer Gesellschaft ist; nicht nur für die Kirche selbst. Wer also aus der Kirche austritt um Geld zu sparen oder die Verantwortlichen in der Kirche für Missstände oder Fehlverhalten abzustrafen, schädigt im Letzten auch die gesamte Gesellschaft in den Bereichen, in denen sich "Kirche" für alle engagiert. Das betrifft gut 90 % des Kirchensteuervolumens in unserem Land.

 

Im Grunde ist es nicht das Problem, dass Kirche Geld hat und dieses investiert (für die Verkündigung des Evangeliums und die Betriebsbedarfe, sowie für Zwecke des Gemeinswohls); das Problem ist häufig vielmehr, was die Kirche mit dem Geld anfängt, das ihr anvertraut ist. Zweifellos ist der "Apparat" der Verwaltung übermächtig geworden. "Entweltlichung" war das Stichwort, das Papst Benedikt XVI. der Kirche in Deutschland ins Stammbuch geschrieben hat. Papst Franziskus predigt eine "arme Kirche für die Armen". Damit ist nicht Verelendung gemeint, sondern geistliche "Herzkrankverfettung". "Wer halb Kalkutta aufnimmt, beseitigt nicht das Elend Kalkuttas, sondern wird selbst Kalkutta.", formulierte einst der Journalist Peter Scholl-Latour. Nur wer verantwortungsvoll mit dem materiellen Gut umgeht, kann auch wirksam helfen und die Werke der Barmherzigkeit tun. Wenn man selbst nichts mehr hat, kann man auch nicht helfen - außer mit moralischem Zuspruch. Aber von Worten allein wird kein hungernder Mensch satt. Allerdings kann man Nächstenliebe auch nicht delegieren, im Sinne von: "Von mir bekommst du nichts, geh doch zur Caritas", wenn der Mitmensch meine konkrete Hilfe braucht...

 

Kirchenaustritt

Jeder und jede, der/die mit dem Gedanken des Kirchenaustritts spielt, möge dies gut überlegen und seine Motive prüfen. Wenn jemand den Glauben der Kirche nicht teilt oder sich mit diesem Glauben nicht mehr identifiziert, ist dieser Schritt zumindest konsequent.  Eine bloße Mitgliedschaft in der Kirche „nur auf dem Papier“ hat keinen geistlichen Nutzen (und der ist nach Glaube, Lehre und Überzeugung der Kirche entscheidend). Evangelisierung und Christentum brauchen überzeugte und glühende Christen, nicht (nur) „Beitragszahler“. Jeder und jede ist eingeladen und aufgefordert, sich in der Kirche einzubringen und seinen Glauben zu stärken, zu nähren und wachsen zu lassen; unabhängig davon, ob er Kirchensteuer zahlt oder nicht. In diesem Fall ist es sehr zu wünschen, wenn man - bevor man den Austritt auf dem Standesamt tätigt - das Gespräch mit seinem zuständigen Pfarrer sucht. Wenn man diesem bekannt ist und man ihm seine Probleme, seine Motive anvertraut hat, ist eine seelsorgliche Begleitung möglich. Jedoch muss angenommen werden, dass ein Mensch, der aus der Kirche "einfach so" (nur vor dem Standesamt) austritt, ohne mit seiner Pfarrei in Kontakt zu treten, auch innerlich gekündigt hat. Daher respektiert die Kirche diesen Schritt und nimmt ihn auch insofern ernst, dass dann der Empfang der Sakramente oder die Bekleidung kirchlicher (Ehren-)Ämter als nicht möglich (weil nicht mehr gewünscht) betrachtet wird. Ebenso ist es als Folge dessen keine Pietätlosigkeit oder ein Ärgernis, wenn eine ausgetretene Person im Todesfall kein kirchliches Begräbnis erhält. Denn die Kirche respektiert die Entscheidung eines Verstorbenen (wenn sie nicht ausdrücklich widerrufen wurde). Man darf den Willen der verstorbenen Person nicht missachten und im Tode etwas überstülpen, was sie im Leben - durch ihre Entscheidung, sich von der Kirche zu trennen - zum Ausdruck gebracht hat. 

 

Theologisch muss man auch betonen, ist ein sog. "Kirchenaustritt" überhaupt nicht möglich. Man bleibt getauft, auch wenn man aus der Körperschaft des öffentlichen Rechtes 'Kirche' austritt. Daher muss eine Absichtserklärung vor der staatlichen Behörde differenziert wahrgenommen werden: geschieht er aus Gründen des Glaubensverlustes oder der Absicht, sich bewusst auch von der geistlichen Bedeutung 'Kirche' zu trennen, setzt man einen schismatischen Akt, der den Ausschluss aus der Kirche zur Folge hat - auch mit den Konsequenzen, die dies geistlich spirituell nach sich zieht. Geschieht sie aus anderen (nichtigeren) Gründen, muss man unterscheiden und Einzelfalllösungen anstreben. Jedoch ist es nicht glaubwürdig zu sagen, dass der Kirchenaustritt "nichts mit dem Glauben" zu tun habe, man aber nie eine Kirche von innen sieht, man dem Empfang der Sakramente fern bleibt (oder diese gar ablehnt), sich diese evtl. erschleicht (Austritt nach Übernahme des Patenamtes, der Hochzeit oder dem Empfang eines anderen Sakramentes) oder den Mitvollzug des kirchlichen Lebens verweigert (Sonntagsmesse). Auch getaufte "Nicht-Kirchensteuerzahler" sind zu einem echten Leben aus dem Glauben gehalten. Denn wir sind auf dieser Welt, wir sind von Gott geschaffen um "ihm zu dienen, ihn zu lieben und dadurch unsere Seele zu retten, in den Himmel zu kommen." Dazu sind Glaube, Hoffnung und Liebe von Gott geschenkt und führen uns zugleich zu ihm. Die Finanzstärke des Einzelnen ist dabei total nebensächlich. Gott fragt nicht nach unserem Reichtum; er lohnt jedoch jede Gabe um seinetwillen und für die Armen. Er allein kennt die Herzen. Und er allein kennt seine Kirche. Er liebt sie - die Kirche - als Gemeinschaft von Heiligen und Sündern. Er erlöst sie und er wird sie zum Ziel führen. Er verurteilt die Menschen nicht; nur der Mensch verurteilt sich selbst, wenn er aus der Gemeinschaft des Heils sich verabschiedet und sich von Gott lossagt. Für uns Katholiken ist diese Gemeinschaft des Heils - allem zum Trotz - die Kirche. Sie ist nicht heilig, weil wir alle perfekt wären oder keine Fehler/Sünden/Verbrechen begehen würden, sondern weil sie zu Christus gehört, der sie liebt wie ein Bräutigam seine Braut. Der ihr die Treue hält - ungeachtet der Untreue der Menschen. Der sich für sie hingibt und erlösend schenkt - in der Feier der Eucharistie, Sonntag für Sonntag und Tag für Tag. Gott gibt uns nicht auf, gibt die Kirche nicht auf. Daher sollten auch wir Menschen die Kirche nicht leichtfertig aufgeben. Sie sollte uns "was wert" sein; zuerst unsere ganze Glaubenskraft, unsere Hingabe und unsere Liebe. Und wenn all das stimmt: dann fragt der Mensch auch nicht nach einem Geldbetrag, den er evtl. entrichten muss, weil das System in unserem Land eben so ist wie es ist - mit Licht- und auch Schattenseiten, keine Frage. Wo Menschen sind, da wird es immer „menscheln“, wie der Volksmund sagt und jeder Realist weiß, der sich nicht in Selbstgerechtigkeit ergeht und hochmütig moralisierend über Andere stellt. Umgekehrt gilt genauso, dass alle Menschen in der Kirche (nicht nur die Geistlichen) danach streben müssen, ihrer Berufung und Sendung auch zu entsprechen. Glaubwürdig zu sein, bei aller Schwäche und aller Begrenztheit. Nur so behält die Botschaft der Barmherzigkeit und dem göttlichen Erbarmen auch ihre Wirksamkeit und verkommt nicht zu schalem, beliebigem Geschwätz.

 

Kircheneintritt

Ein Wiedereintritt in die Kirche ist jederzeit möglich, wenn jemand seine Entscheidung ändern will. Jedoch nicht "um jeden Preis". Die Kirche will ihre Kinder zu Gott, zu Christus führen und den Glauben teilen und feiern. Sie will für das Seelenheil der Menschen Sorge tragen, denn das ist ihre Pflicht und ihre Berufung, ihre heilige Verantwortung vor Gott. Sie will nicht nur "bloße Kirchensteuerzahler". Man kann auch als ausgetretener Christ eine Spende geben, wenn man möchte. Man kann es auch tun als Andergläubiger oder Christ einer anderen Konfession. Das Seelenheil kann man sich nicht erkaufen. Ein Wiedereintritt in die Kirche ist daher nur sinnvoll, wenn man auch zum Glauben zurückgefunden hat und man erkennt, dass die Kirche für das (ewige und zeitliche) Heil der Seele notwendig ist. Jeder verantwortungsbewusste Seelsorger wird von einem Wiedereintritt abraten, wenn er nur erfolgt, weil man den Schein waren möchte oder etwas von der Kirche "haben will". Man scheue sich nicht, Probleme mit der "Institution Kirche" offen anzusprechen; sich im Gespräch einem Seelsorger des Vertrauens zu öffnen, wenn man unter Zuständen in der Kirche oder an dem Versagen von Menschen in der Kirche leidet. Vielleicht entdeckt man, dass es diesem Seelsorger ebenso ergeht? Vielleicht kann man etwas ändern, etwas verbessern oder klären? Vor allem: man prüfe sich im Gebet und suche nach Gott in seinem Leben. Wenn man dies aufrichtig und ehrlich tut, wird Gott den Menschen auf seinen Wegen führen und er wird sicher den richtigen Weg zur Kirche finden. Gebet ist wie immer im Leben nicht alles - aber ohne Gebet ist alles im Leben nichts.

 

Geistliche Dimension

Jesus Christus hat "die Kirche" gestiftet. Sie wird nicht untergehen, wohl aber wird sie sich immer wieder verändern müssen, den Verhältnissen anpassen, damit sie aus dem Evangelium leben und die Freude an Gott erfahren kann. Durch alle Jahrhunderte der Kirchengeschichte ist es ihr gelungen. Immer dann, wenn sie auf ihren heiligen Ursprung vergaß, gab es auch leidvolle Prozesse, die sie wieder gereinigt und erneuert haben. Jesus Christus hat aber nicht die "Körperschaft Kirche" gestiftet und die Kirchensteuer als göttliches Recht verankert. Göttliches Recht sind nur die Gebote Gottes und die Stiftung des Wesens der heiligen Sakramente und der Kirche selbst. Daher wird es dem Gläubigen nicht bange, wenn sich die Kirche in unserem Land verschlanken und ihre Tätigkeiten auf das "Kerngeschäft" beschränken muss, weil es eben finanziell nicht mehr möglich ist. Aber es möge jedem Gläubigen bange werden, wenn die Kirchen leer sind, die Beichtstühle verwaist und das Gebet verstummt ist, wenn es weniger geistliche Berufungen gibt oder gute, christliche Ehen und Familien, in denen der Glaube gelebt wird, mit der Lupe gesucht werden müssen. Denn dann - nur dann - haben wir wirklich ein Problem. Und das ist leider (Gott sei es geklagt!) die eigentliche Not der wir uns als Kirche stellen müssen, nicht primär das derzeit schwindende Kirchensteueraufkommen. Ob einem dies schmecken mag, oder nicht. Eine verweltlichte Kirche wird untergehen, möge sie viel oder wenig Materielles ihr Eigen nennen. Eine Kirche, die die Welt durch Christi Geist erneuern will, wird dies auch ohne Kirchensteuer schaffen.

 

Es fing alles ohne kalkulierbare Finanzmittel an, damals am Kreuz auf Golgotha, am Ostermorgen und am Pfingsttag. Wenn "Geld" diese Dynamik des Anfangs zum Erlöschen bringt, dann ist es besser, wenn das Geld zum Teufel geht, als dass der Glaube erstickt. Ist der Glaube lebendig, sorgt Gott für alles andere. Auf diese Tatsache hat so manche/-r Verantwortungsträger/-in der Kirche in Deutschland vergessen. Nicht den Glauben zu verändern oder Kirche nach dem Geschmack des Zeitgeistes zu basteln wird der Kirche in diesem Land eine positive Zukunft eröffnen, sondern die gläubige Hingabe an Christus und die Bereitschaft zur echten Nachfolge, auch wenn diese Umkehr, Bekehrung und Buße erfordert.

 

Pfarrer Michael Krüger